Jeweils am Pfingstsonntag um die Mittagszeit besammeln sich die älteren Sulzer Schulbuben in ihren Dorfteilen und begeben sich in den Wald an einen Ort mit viel Buchenlaub. Sie verwandeln dort einen Kameraden in eine Laubgestalt. Das Laubkleid muss sachkundig aufgebaut werden. Zuerst werden dem Jungen Büschel von Buchenzweigen um die Beine gebunden. Weitere Astbündel werden ihm um den Leib sowie über Kopf und Schultern gehängt. Zuoberst hin kommt ein bunter Strauss aus Flieder und anderen Blumen. Das Kleid des Pfingssprützligs wiegt bis zu 20 Kilogramm. Entsprechend schwerfällig bewegt sich die „Gestalt“ vorwärts. Als Träger kommt nur ein starker Junge in Frage.
Von Dorfbrunnen zu Dorfbrunnen
Eingangs Dorf wird der Pfingstsprützlig von den Schülerinnen und Schülern erwartet. Jetzt formiert sich der Umzug durch die verschiedenen Dorfteile. An der Spitze des Zuges befinden sich zwei Fahnenträger. Dahinter läuft der Pfingstsprützlig. Da er nicht selber sehen kann, muss er von zwei Schülern an einem Stock geführt werden. Vor dem Pfingstsprützlig reihen sich dann die restlichen Jugendlichen ein, jeder mit einer Kuhglocke. Die Schülerinnen haben Blumensträusschen gebunden. So zieht der Pfingstsprützlig samt seinem Gefolge von Dorfbrunnen zu Dorfbrunnen. Dort wühlt er mit seinem Stock durch seitliches Hin- und Herschwingen das Wasser in den Brunnentrögen auf. Dieses Treiben soll nach Angabe der Dorfbewohner einen trockenen Sommer verhindern und eine gute Ernte verheissen. Der Umzug wird in Sulz in den drei Dorfteilen Bütz, Mittelsulz und Obersulz praktisch zur gleichen Zeit durchgeführt. Der Zug gilt heute auch wieder als Dorfereignis, treten doch in allen Dorfteilen die Leute vor die Häuser, um dem alten Brauch beizuwohnen. Auch viele Heimwehsulzer zieht es immer wieder am Pfingstsonntag in ihr Heimatdorf.
Fruchtbarkeits- und Wachstumsritual
Die geschichtlichen Hintergründe des Pfingssprützlig lassen sich nur schwer nachzeichnen. Man vermutet, dass dieser Brauch noch vor hundert Jahren im ganzen Fricktal bekannt war und „Pfingsthutte“ genannt wurde. Der Brauch wurde seit dem 19. Jahrhundert an vorchristliche Zeiten angeknüpft und als altes Fruchtbarkeits- und Wachstumsritual bezeichnet. Seit bald 30 Jahren wird der Brauch des Pfingstssprützlig in Sulz wieder regelmässig durchgeführt. Junge Männer ergriffen in den siebziger Jahren die Initiative und liessen den alten Brauch wieder aufleben. Zuerst fand es in einer Waldhütte statt, wo vor allem junge Einheimische teilnahmen. Der Hock im Wald entwickelte sich anfangs der neunziger Jahre zu einem eigentlichen Dorffest auf dem Turnhallenplatz, wo sich die Laubgestalten der drei Dorfteile noch einmal zeigen.